Burn-Out

Burn-Out

Burn-out-..auch beim Hund

Unsere Hunde leben mit uns. Sie leben mit uns in einer immer hektischer werdenden Welt. In einer Welt wo man auf der Suche nach Anerkennug ist. Die einen finden diese über möglichst viele likes, die anderen darüber, was ihr Hund denn so alles kann und macht. So ist das Beschäftigungsprogramm der Hunde häufig eine 24h Stunden rund-um Action Versorgung.
Der Mensch bestimmt, der Hund macht. Aber ob es ihm überhaupt Spaß macht, da wird er nicht gefragt.

Nun ist das burn-out-Syndrom also auch bei unseren Hunden angekommen. Wenn wunderst?

Von was sprechen wir? Nun, das sogenannte burn-out Syndrom ist beim Menschen als Krankheit anerkannt. Betroffene fühlen sich psychisch wie physisch chronisch erschöpft. Sie verlieren an Einfühlungsvermögen und Leistungsfähigkeit. Häufig fehlt es an Energie und an Motivation überhaupt etwas zu unternehmen.

Und beim Hund? Leider ja bzw zumindest so ähnlich.
Hunde sind Lebewesen, keine Roboter. Sie können im Training aus verschiedenen Gründen in den burn out geraten:

– durch die Verwendung von aversiven Trainingsmethoden. Solche Hunde geraten regelrecht in eine Angstspirale, eine falsche Bewegung oder Entscheidung zu treffen. Sie befinden sich im Dauerstress. Ihre Motivation zu trainieren ist eigentlich nicht mehr vorhanden.

– Hunde können durch Trainingsfehler gelangweilt oder sehr schnell frustriert werden. Oft dann, wenn der Mensch seinem Hund nicht vermitteln kann was er von ihm möchte. Oder sie können eine Übung eigentlich nicht machen  zB aus gesundheitlichen Gründen, werden aber mehr oder weniger dazu gezwungen bzw mit Hilfe von Leckerlis dazu ‚verführt‘. Früher oder später führt dies zur Erschöpfung.

– zu viel an Beschäftigung oder ein zu viel an Wiederholungen oder eine gleichbleibendes Training ohne Abwechslung, all das kann dazu führen, dass der Hund in chronischem Stress gerät

– mangelnder Schlaf und nicht ausreichende Ruhe.
Häufig findet der Hund keine Zeit mehr zur Ruhe zu kommen um das Geschehene zu verarbeiten. Hat er auch noch ein Angstproblem, verschlimmert sich das Ganze. Er wird überansprucht, ist chronisch übermüdet und/oder überdreht.

Wie aber erkennt man ob sein Hund im Burn-Out ist?

Bisher nimmt man an, dass das Krankheitsbild beim Hund ähnlich wie beim Menschen verläuft.
Zu Beginn der Krankheit sendet der Körper sogenannte Warnsignale wie Erschöpfungsphasen, verlangsamte Aktivität des Körpers, verminderte Belastbarkeit, Stimmungsschwankungen, andauernde Müdigkeit, innere Unruhe und Nervosität aus. Die Leistungskurve des Hundes sinkt plötzlich und vor allem auffällig schnell.

Wie beim Menschen sind die Anzeichen für  Burn-out vielseitig und unterschiedlich. Die Symptome des Ausbrennens zeigen sich über emotionale, verhaltensbezogene und körperliche Perspektiven wie Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Gelenkschmerzen, Anfälligkeit für Infektionskrankheiten, Hautprobleme, Blasenprobleme und Nahrungsmittelunverträglichkeit
Die Steigerung und anhaltende Dauer dieser Symptome verursachen letztlich den Höhepunkt, den sogenannten Burn-out.

Weitere Anzeichen können sein:

– Desinteresse am Training
– sehr schnelles Abgelenktsein beim Üben
– ständiges und exzessives Lecken, dass in vielen Fällen zu Wunden am ganzen Körper führt
– Appetitverlust oder übersteigerter Appetit
– Dauerschlaf
– keine Lust auf Spaziergänge
– keine Lust auf Spiel
– aggressive Reaktion auf Artgenossen

Hinzu kommt eventuell noch der Mensch als weiterer stressauslösender Faktor. Zum einen natürlich durch die Stimmungsübertragung, wenn der Mensch selber gestresst ist.
Häufig erwartet der Mensch von seinem Hund eine bestimmte Leistung. Eine Leistung die sich am besten noch bei jeder Trainingseinheit steigern soll. Kann der Hund diese nicht zeigen, baut der Mensch noch mehr Druck im Training auf, wodurch aber der Stresslevel des Hundes nur noch ansteigt. Schnell gerät man so in eine Stress-Druck-Spirale. Hier sollte sich der Mensch hinterfragen, wieso er bei seinem Hund diesen übermäßigen Leistungsdruck und/oder ein immer Mehr fordert.

Gibt es Hunde die besonders von Burn-Out betroffen sein können? Ja. Vor allem Hunde aus Leistungs- und Arbeitslinien. Hier gibt es leider noch immer die Ansicht, dass diese Hunde eine extreme Auslastung brauchen. Und dann natürlich noch Hunde aus dem Tierschutz die sich auf einmal mit tausend verschiedenen Reizen auseinandersetzen müssen.

Zeigt der Hund bereits Anzeichen von chronischem Stress, sollte man sich mit den möglichen Ursachen für seine Verhaltensstörungen auseinandersetzen, um herauszufinden, wie er besser mit seiner Umwelt klarkommen kann. Man sollte seine eigenen Ansprüche und Erwartungen an den Hund hinterfragen.

Man sollte für seinem Hund hündische Tage fest einbauen. Dies sind Tag an denen er nichts machen muss. Wenn er beim Gassi 20 Minuten an einem Grashalm schnuppert, dann lässt man ihn. Wenn er mal nicht Gassi gehen möchte ebenfalls. Man kann dem Hund mehr Entscheidungsfreiheit einräumen. Man kann auch wunderbar gemeinsam ein gechilltes Gassi machen. Wie so etwas geht zeige ich Euch gerne bei meinem Entspannungsspaziergängen.

Gestaltet euer Training abwechslungsreich, immer so, dass euer Hund ein Erfolgserlebnis hat. Trainiert besser in kürzeren Einheiten. Und respektiert es, wenn euer Hund keine Lust auf Übungen hat.

Einen Hund erst wieder aus einem burn out zu holen ist eine schwierige und langwierige Angelegenheit. Deshalb sorgt lieber vor.

Rituale und Routinen

Rituale und Routinen

..im Alltag sind vor allem für ängstliche und unsichere Hunde wichtig. Aber auch für Hunde die gerade als neues Familienmitglied Einzug gehalten haben.
Rituale unterstützen den Hund und den Menschen im Alltag und bei besonderen Ereignissen. Rituale sind wichtig für unser tägliches Leben.

Rituale und Routinen sind kommunikative Handlungen zwischen Mensch und Hund die durch Wiederholung entstehen. Sie unterstützen die Hunde beim Verstehen von Veränderungen. Sie folgen in ihrem Ablauf einer bestimmten Struktur.

Routinen sind dabei automatisierte Handlungen, die keine große Denkleistung erfordern. Wir denken nicht darüber nach, sie sind quasi fester Bestandteil unseres Alltags geworden. Sie kehren immer wieder.
Rituale finden oft in Angrenzung zur Gewohnheit oder zur Alltagsroutine statt und beinhalten ein für das Individuum sinnhaftes Handeln. Es sind bewusste Entscheidungen für wiederkehrende Handlungsabläufe die Hund und Mensch gut tun. Sie verfolgen immer einen bestimmten Zweck.

Sinnvoll sind Routinen und Rituale dort wo sich eine wiederholende Struktur im Zusammenleben mit dem Hund findet:

– Handlungen werden Hinweise auf das Folgende
– wiederkehrende Strukturen machen den Alltag übersichtlicher
– das Verhalten des Menschen wird durch sich wiederkehrende Abläufe für den Hund vorhersehbar
– Rituale und Routinen geben Sicherheit

Rituale brauchen Zeit sich zu etablieren. Sie sollten immer wieder hinterfragt werden, ob sie ihren Zweck noch erfüllen. Vorsicht: das Aussetzen eines festen Rituals kann jedoch dem Hund Erwartungssicherheit nehmen und zu Frustration und Unsicherheit führen.

Hier nun ein paar Beispiele für Rituale und Routinen:

– Gassi oder nicht. Ziehen wir uns eine bestimmte Kleidung an, weiß unser Hund ob er nun alleine zu Hause bleiben muss oder ob es auf einen gemeinsamen Spaziergang geht. Das ganze ist meist noch gepaart mit einer bestimmten Uhrzeit. Dies ist eine Routine. Aus dieser Routine kann man jedoch schnell ein Ritual machen.
So ist unser Hund oftmals aufgeregt wenn er weiß, es geht zum Gassi, zur Hundeschule etc. Um ihn etwas von dieser Aufregung zu nehmen kann man zum Beispiel rund um die Haustüre das Sitzen verstärken indem der Hund jedesmal wenn er sitzt eine Leckerchen bekommt.
Oder es gibt ein paar isometrische Übungen bevor es losgeht. Oder ein kleines Suchspiel.

– Einschlafen. Ruhe ist angesagt wenn wir schlafen gehen möchten. Auch für den Hund. Routine wäre hier: Licht aus und ein allgemeines gute Nacht. Als Ritual kann man hier eine Runde Kuscheln einbauen. Leicht lässt sich auch ein Schlafduft konditionieren.

– Training und Freizeit. Vor allem für sehr aktive Hunde ist es schwierig wieder aus dem Trainingsmodus zu kommen.
Um für den Hund Training vom normalen Leben unterscheidbar zu machen, kann man jede Trainingseinheit mit einem bestimmten Wort beginnen. Ebenso beendet man die Übungeseinheit mit einem bestimmten Wort vielleicht gepaart mit einer Runde Leckerchensuche. Einen andere Möglichkeit ist, dass man das Training immer mit der gleichen Übung starten und beenden

– Beim Gassi. Der Hund hat an Stelle x seines Gassiweges Wild gesichtet. Jedes Mal wenn er nun an diese Stelle kommt, steigt seine Aufregung. An solchen Orten die viel mit Aufregung zu tun haben, kann man den Hund immer die gleiche Übung machen lassen. Am besten wählt man hierzu eine Übung die er gerne ausführt und auch gut kann. Entspannungsübunge eignen sich ebenso. So wird der Ort immer weniger mit Aufregung, dafür immer mehr mit einer bestimmten Übung und/oder Entspannung verbunden.

Gut etablierte Routinen ermöglichen so. dass Mensch und Hund im Flow durch den Tag gehen ohne immer wieder neue Entscheidungen zu treffen.
Sie geben unseren Hunden Fixpunkte und schaffen Sicherheit. So ist es gerade für Hunde die unsicher oder ängstlich sind, im Alltag sehr hilfreich, auf einfache kleine Rituale zurückgreifen zu können. Vorzugsweise auf solche, die mit positiven Gefühlen gekoppelt sind. Also Rituale, die sehr oft und unter erfreulichen Bedingungen stattgefunden haben.

Routinen gewinnen immer mehr an Bedeutung, je öfters diese wiederholt werden, während Rituale wie ein gutes Buch sind: man holt sich einfach das, was man je nach Stimmung und Lebenslage braucht, aus einer Vielzahl an verschiedenen Büchern hervor.

Wertschätze deine Rituale und Routinen, respektieren sie, aber ändern sie auch , wenn sie dir nicht mehr dabei helfen, dein Ziel zu erreichen.

Wie unterstütze ich einen Angsthund

Wie unterstütze ich einen Angsthund

Hat Dein Hund Angst, braucht er Deine Hilfe und Dein Verständnis. Was er definitiv nicht braucht sind veraltete Trainingsmethoden und Meinungen.
Dazu gehört das sogenannte Flooding. Das heisst eine plötzliche Konfrontation mit dem übermässigen (entweder zeitlich oder mengenmässig) angstauslösenden Reiz.
Einen Hund, der sich vor gelben Abfalltonnen fürchtet, an einer gelben Abfalltonne anzubinden und ihn dort zwei Stunden alleine zu lassen, wie dies von manchen Verhaltenstherapeuten praktiziert wird, führt nicht nur zu einer völligen Übersteuerung der betreffenden Reaktion, sondern möglicherweise auch zu schweren gesundheitlichen Schäden (Herzkreislaufkollaps) und zu einer völligen Zerstörung der Mensch-Hund-Beziehung, wenn der Halter seinen Hund einer solchen schrecklichen Situation scheinbar tatenlos ausliefert.

Einen Hund der Angst vor anderen Hunden hat regelmäßig in ein Gebiet zu bringen, wo viele andere Hunde sind und ich dann einfach ‚machen‘ lassen führt
vielleicht auf den ersten Blick zu einer scheinbaren Verbesserung des Verhaltens. Auf den zweiten Blick jedoch zu einer Verschlechterung. Und seine Angst vor den Artgenossen wird er so auch nicht besser. Eher im Gegenteil.

Dazu gehört auch die Meinung, dass man durch bestimmte Verhaltensweisen zB dem Hund zur Beruhigung auf den Arm nehmen die Angst nur noch verstärkt. Angst kann man nicht verstärken. Die Reaktion darauf schon, im Positiven wie im Negativen.

Leider sind schnelle Erfolge und Hundetrainer die dies versprechen immer noch populär. Auch wenn diese ‚Erfolge‘ auf Kosten der Gesundheit und des Wohlbefindens der angeblich therapierten Hunde geht.

Eine langsame Steigerung der Reizintensität jeweils knapp unter der auslösenden Schwelle für die Angstreaktion ist hier die wesentlich bessere Therapie.
So schwierig und langwierig dies erscheinen mag, ist es doch noch einfacher als der Umgang mit Angst.
Die Angststörung, insbesondere dann, wenn sie bereits zur generalisierten Angststörung geworden ist, wenn also die Angst vor der Angst schlimmer ist als die Angst vor der gefühlten tatsächlichen Bedrohung, kann nicht durch gezielte Konfrontation aufgefangen werden.

Die beiden hauptsächlich beteiligten Hormonsysteme, das Stresssystem des Cortisols und das Bindungssystem des Oxytocins reagieren, zeitlich gesehen, unterschiedlich. Und das kann man sich zu nutze machen. Das Oxytocin wird bereits in wenigen Sekunden bis Minuten ausgeschüttet. Das Cortisol gelangt erst in einem Zeitraum zwischen 5 bis 20 Minuten an sein Ziel, den Rezeptoren, an.
Durch geschicktes Entspannungstraining und/oder entsprechende Interaktion mit dem Hund lässt sich die Ocytocinausschüttung ankurbeln.
Befindet sich dieses Hormon nun vor der stressauslösenden Situation, und somit vor dem Cortisol, im Blutkreislauf und an den Rezeptoren kann es auf physiologischer Ebenedafür sorgen, dass Stress, bzw. die Folgen von Stress reduziert werden können und der Hund sich entspannter fühlt.

Und so kannst du deinem Hund helfen mehr Ocxytocin auszuschütten:

a) Sozialkontakte
Die Steigerung der Ausschüttung des sogenannten Bindungshormons Oxytocin durch Sozialkontakte jeglicher Art hat eine wichtige Funktion in
der Vermeidung einer übermässigen Stresshormonreaktion.
Wenn der Hund und der Mensch einander durch Blickkontakte, spielerische Gemeinsamkeiten und andere Formen positiver, sozialer Interaktion unterstützen, führt dies zu einer Erhöhung des Oxytocinspiegels. Und das hält nicht nur den Menschen (und den Hund) gesund, sondern kann auch den Hund vorbeugend bei der Konfrontation mit einem möglichen Stressor stabilisieren.

b) Positive Alternativreize
Es ist möglich, eine beginnende Angst beim Hund durch das Angebot von positiv belegten Reizen zu entschärfen. Man kann durch gezielte Darbietung von Futterbelohnungen oder anderen positiven Erfahrungen (zB kleine Spieleinheiten) eine Abschwächung seiner Angstreaktion zu ermöglichen

Weitere Möglichkeiten deinem Hund zu helfen mit der Angst besser fertig zu werden:

c) Selbstbewusstsein stärken
Als Maßnahme der allgemeinen Persönlichkeitsstabilisierung.
Geeignet hierzu sind Auslastungs- und Beschäftigungmöglichkeiten die Erfolgserlebnisse verschaffen. Viele Hunde reagieren sehr positiv auf konzentrierte
Nasenarbeit, etwa Mantrailing. Hier können sie zeigen was sie leisten können und steigern so ihr Selbstbewusstsein.

d) Führungskompetenz des Menschen
Der Mensch als wichtigster Sozialpartner seines Hundes muss Souveränität ausstrahlen, um dem Hund zu vermitteln, dass auch in einer möglicherweise gefährlichen Situation jemand da ist, der diese für ihn regelt. Gerade im Zusammenhang mit Angstaggression an der Leine oder in anderen beengten Situationen ist es die Aufgabe des Menschen, hier die notwendige Unterstützung zu liefern.

e) Vermeidung von Angstanfälligkeit
Gerade im Zeitraum der ersten drei Monate sowie in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres liegt die sensible Phase für die Präsentation von Umweltreizen, die dann später als neutral, unbedeutend oder sogar positiv empfunden werden sollen.
Neben dieser Gewöhnung an möglichst viele, dann später mit «cooler Gelassenheit» ertragene Umweltreize ist gerade in diesem Zeitpunkt auch die allgemeine Stabilisierung von Persönlichkeit und Selbstsicherheit des Hundes sehr wichtig. Der Hund sollte in dieser Zeit erleben dass
– er viele Aufgaben durch eigenes Zutun lösen kann
– er viele Probleme durch selbst gefundene Lösungswege aus der Welt schafft
– er sich bei schwierigen bis unlösbaren Situationen jederzeit auf seinen Menschen verlassen kann,

So wird er viel seltener überfordert sein, wenn er dann als Erwachsener mit völlig neuen Aufgaben konfrontiert wird.

Kurz gesagt braucht es Zeit und Geduld. Es braucht eine für deinen Hund optimale Stimulation. Es braucht Vorhersagbarkeit, keine plötzlichen Konfrontationen. Es braucht Verhaltensoptionen für deinen Hund. Es braucht sehr viele Phasen der Entspannung und Erholung für deinen Hund. Es braucht ein Bewußtsein über seine eigenen Emotionen und sein eigenes Verhalten. Denn dieses kann deinen Hund entweder unterstützen oder das Angstverhalten noch bestärken.

Die Sache mit dem Impuls

Die Sache mit dem Impuls

Und mal wieder scheint dein Hund wie aus dem Nichts die Kontrolle zu verlieren und sich in ein bellendes, ziehendes Monster zu verwandeln. Schuld daran war wohl Fahrradfahrer Nummer 5.
Nun, aus dem Nichts kommt selten ein hündisches Verhalten. Verhalten kündigt sich an. Teils mit deutlichen, teils mit sehr subtilen hündischem Ausdrucksverhalten. Vieles was ein Hundehalter übersehen kann. Plus: es gibt viele Dinge die die Impulskontrolle eines Hundes aufbrauchen.

Was ist Impulskontrolle?

Impulskontrolle ist so etwas wie Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle in bestimmten Situationen. Die bewusste Kontrolle über Emotionen und die eigenen Handlungen. Und Impulskontrolle ist endlich. Jedes Lebewesen besitzt ein Kontingent an Impulskontrolle. Es ist individuell, jedoch endlich und somit endet auch die Selbstbehrrschung irgendwann.
Sicher ist: ein Hund der unter Dauerstress steht, aufgeregt ist oder schlecht zur Ruhe kommt hat stets weniger Impulskontrolle zur Verfügung als ein gesunder, ausgeglichener Hund. Denn das Kontingent wird im Schlaf und in in Ruhephasen wieder aufgebaut.
Durch die Verarbeitung von Erlebten im Schlaf erholt sich der Hund und kann dadurch schwierige Situationen besser meistern. Ruhe und Selbstbeherrschung hängen also direkt zusammen.

Was verbraucht und beeinflusst Impulskontrolle?

Generell kann man sagen: je schwieriger eine Situation für den Hund war und je souveräner sie gelöst worden ist, umso mehr Impulskontrolle hat der Hund dafür benötigt.
Wichtig ist auch der Kontext in dem etwas geübt und gelernt wurde.

Zum Beispiel übt man das Signal Bleib erst mal zu Hause. Dort klappt es super. Der Hund führt das Signal gerne und zuverlässig aus. Er verbraucht hierfür kaum etwas seines Impulskontingents.
Soll der Hund das Bleib dann jedoch in einer neuen Situation ausführen  zB auf einer Gassirunde, so braucht der Hund dafür viel Impulskontrolle. Nach ausgeübter Impulskontrolle wird die Fähigkeit zur Selbigen für einen gewissen Zeitraum schlechter. So kann es sein, dass gleich nach erfolgreicher Ausübung des Bleib-Signals in einer neuen Situation eine Wiederholung des Signals nicht mehr möglich ist.

Damit ich dennoch mit dem Hund in einem neuen Kontext trainieren kann ohne viel Impulskontrolle zu verbrauchen, sollten die Übungen so kurz und kleinschrittig gestaltet sein, dass der Hund diese fehlerfrei ausführen kann. Es ist also sinnvoll, darauf zu achten, wie schwer der Kontext für den Hund ist in dem man trainieren möchte. So spart der Hund etwas von seinem Impulskontingent auf, dass er dann eventuell für für ihn wirklich schwierige Situationen benötigt wird zB Hundebegegnungen, damit er diese meistern kann.

Impulskontrolle wird kontextbezogen gelernt und die meisten Impulskontrollübungen verlassen ihren Kontext nicht. Dafür verbrauchen sie wertvollen Kontingent, dass der Hund an anderer Stelle dringend nötig hätte. Das bedeutet, die Fähigkeit zur Impulskontrolle wird von dem Hund nicht generalisiert.

Zum Beispiel: kann der Hund minutenlang vor dem vollen Futternapf warten, kann er das sicher nicht wenn er ein laufendes Reh sieht. Wenn der Hund also in einem Kontext A gelernt hat zu warten, kann er das nicht zwangsläufig in einem anderen Kontext.

Es gibt nicht notwendige Übungen die Impulskontrolle verbrauchen:

– Langes Warten vor dem Napf oder Keksen
Ist dem Hund das Fressen wichtig, was sehr oft auf Hunde aus dem Tierschutz zu trifft, verlangt diese Übung sehr viel Selbstkontrolle ab. Auch kurzes Warten vor dem Napf frisst Impulskontingent.
Auf diese ‚Übung‘ können die allermeisten Hundehalter getrost verzichten.
Unsere Hunde warten mittlerweile übrigens von alleine bis der Napf auf dem Boden steht, ohne dass wir das explizit geübt haben.

– Bevor es zum Gassi geht, den Hund im Sitz warten lassen bis er ruhig wird.
Besser ist es zB Leckerchen auf dem Boden zu streuen. Suchen entspannt und beruhigt. Oder ein paar Physioübungen zu machen, so muss sich der Hund auf etwas anderes konzentrieren.

– Leinenführigkeit ausschließlich über Stehen bleiben zu trainieren wenn der Hund in die Leine läuft.
Lernen durch Fehler ist frustrierend und braucht viel Impulskontrolle.
Hier lieber mit einem Mix an verschiedenen Leinenführübungen arbeiten. Und vor allem den Hund loben wenn er an lockerer Leine läuft.

– Flooding
Hier setzt man den Hund sehr vielen Reizen aus (zB man geht mit einem Hund der Schwierigkeiten mit anderen Hunden hat in ein Gebiet wo sehr viele Hunde sind) oder sehr lange Reizen aus. Bis der Hund -vermeintlich- ruhig ist und kein unerwünschtes Verhalten mehr zeigt.
Leider geht dieser Schuss nach hinten los. Nicht nur, dass das Impluskontingent restlos aufgebraucht wird. Nein, der Hund kann daraus die Konsequenz ziehen, dass es sich nicht lohnt sein Verhalten zu zeigen, Stress zu zeigen. Kommt er dann wieder in so eine Situation, vielleicht mit nur einem anderen Hund, explodiert er und das unerwünschte Verhalten tritt umso stärker auf.

Es ist eben keine Selbstbeherrschung, wenn eine Situation einfach ausgehalten wird. Der Hund möchte diese dennoch gerne verlassen, kann dies aber nicht mehr zeigen.
Impulskontrolle aufzubauen bedeutet, dass der Hund lernt mit einer Situation umzugehen, nicht dass er sie aushalten muss ob er will oder nicht.

Generell kann man sagen, dass Übungen die Frust oder andere negative Emotionen erzeugen, für unsere Hunde meist nicht sinnvoll sind.
Übungen, die den Alltag und unsere Interaktion mit dem Hund vorhersehbar und berechenbar machen und positive Emotionen vermitteln, ergänzen den Hundealltag jedoch sinnvoll.

Das Alter eines Hundes hat ebenfalls Auswirkungen auf die Impulskontrolle. Befindet sich der Hund in der Jugendentwicklung, wird sein Gehirn umgebaut. Der emotionale Teil ist in dieser Phase dem rationalen Überlegen. Dies begünstigt natürlich auch impulsives Verhalten.

Und dann gibt es noch die Körpergröße der Hunde.
Je massiger ein Hund, umso besser ist die Fähigkeit zur Impulskontrolle. Achtung – es geht hier nicht um übergewichtige Hunde, sondern um die Breite und Stärke des Knochen- und Körperbaus.
Je leichter und schmaler der Körperbau eines Hundes, umso höher ist der Stoffwechsel, was zu einem schlechteren Nervenkostüm und einem nervöseren Hund führen kann.
Aber Hunde, die nur auf Masse gezüchtet werden und die aufgrund dieser Größe andere gesundheitliche Probleme, zum Beispiel im Bewegungsapparat haben, werden dennoch nicht generell eine gute Impulskontrolle haben, denn Wohlbefinden spielt auch eine Rolle.

Die Rasse des Hundes bzw. Linien innerhalb der Rasse haben ebenfalls Einfluß auf das Vermögen zur Impulskontrolle.
Das passiert durch die Selektion auf einen bestimmten Körperbau, aber auch durch die Selektion auf Hunde, die schnell reagieren sollen. Hütehunde wie Border Collies, Aussies oder Arbeitshunde wie Malinois müssen schnell agieren um ihren Job richtig auszuführen. Schnelle Reaktionen und Impulskontrolle schliessen sich leider häufig aus.

Direkt zusammen mit der Impulskontrolle hängt die Frustrationstoleranz. Dies bedeutet, dass der Hund, wenn er etwas möchte und nicht bekommt, frustriert wird. Wie schnell dies geschieht ist wieder von Hund zu Hund unterschiedlich. Je frustrierter der Hund wird, desto mehr Impulskontrolle verbraucht er.
Auch hier gilt, dass ein bloßes Ertragen einer frustrierenden Situation nicht zu einer erhöhten Frustrationstoleranz führt.

Eine kleinschrittige, faire Auseinandersetzung mit Frust ist notwendig und sinnvoll.
Dazu sollte man sich auch überlegen, welche Alternativverhalten man dem Hund anbieten kann, damit er eine Situation nicht mehr als stark frustrierend empfindet. Diese Alternativverhalten sollten zum Hund und zur jeweiligen Situation passen. Hat man zB einen Hund der gerne dem Hasen nachhetzen möchte, eignet sich ein kurzes Hetzspiel mit einem Spielzeug, Leckerchen, anderen Objekt.

Versuche also nicht gegen deinen Hund und seine Bedürfnisse zu trainieren, sondern mit ihm. Du wirst merken, dass der Alltag mit deinem Hund stressfreier wird und eure Bindung enger.
Mit passenden Belohnungen hilfst du deinem Hund auch schwierige Situationen mit einem guten Gefühl zu bewältigen.

Der Hund aus dem Tierschutz

Der Hund aus dem Tierschutz

 

Du hast dich für einen Hund aus dem Tierschutz entschieden? Du hast das Foto gesehen und warst schockverliebt. Dieser und kein anderer soll es sein.
Und nebenbei tust du noch etwas Gutes und rettest eine arme Hundeseele. Sicher wird dein neuer Gefährte dankbar dafür sein. Sicher?

Du solltest von dem Hund keine Dankbarkeit erwarten. Hunde sind Opportunisten, müssen sie sein. Sie passen sich der jeweiligen Umgebung an um zu überleben. Aber klar, ihr könnt best buddies werden.

Natürlich ist es eine gute Entscheidung einem Hund aus dem Tierschutz ein neues zu Hause zu geben. Jedoch solltest du dir deiner Erwartungshaltung
dem Hund gegenüber bewusst sein. Allzu oft kollidiert diese dann mit der Wirklichkeit. Vor allem Hunde aus dem Auslandstierschutz stellen ihre neuen Halter vor großen Herausforderungen.

Jedoch solltest du deine Entscheidung nicht aus Mitleid dem Lebewesen gegenüber treffen. Du solltest den Hund relativ erwartungsfrei betrachten. Niemand, auch nicht die Leute aus dem Tierschutz, können Dir wirklich sagen, wie sich der Hund in seiner neuen Umgebung verhalten wird. Denn ein maßgeblicher Faktor für seine Entwicklung wirst du sein.
Niemand kann dir sagen, wie sein Wesen wirklich ist. Die Leute aus dem Tierschutz kommen selber oft nur schwer bis unmöglich an verlässliche Informationen über sein früheres Leben.
Sie haben Momentaufnahmen seines Verhaltens im Tierheim. Diese dort gezeigte Verhalten kann dann bei dir ein vollkommen anderes sein. Positiv als auch negativ.

Du solltest, noch bevor der Hund bei dir eingezogen ist, wissen wo du dir Rat und Hilfe holen kannst. Nicht in jeder Hundeschule sind Tierschutzhunde wirklich willkommen. Dasselbe gilt leider auch für einige Tierärzte. Nicht jeder kennt sich mit einem second hand Hund aus.

Du solltest dir bewusst machen wie du mit möglichen Problemen, umgehen kannst und willst. Ebenso damit, wenn der Hund keine Nähe und schon gar keinen Körperkontakt möchte.

Du solltest die Bereitschaft haben das hündische Ausdrucksverhalten von Anfang am lesen zu lernen. Nur so lernst du deinen neuen Hund wirklich kennen. Kannst dich auf ihn einlassen.

Du hast dir all das und noch viel mehr überlegt? Eine bewusste Entscheidung getroffen? Super. Dann steht eurem gemeinsamen Weg nichts mehr im Weg.
Schenke deinem neuen Gefährten die Geduld die es braucht. Gebe ihm Fürsorge, Ruhe, Zuwendung und Sicherheit. Achte auf seine Körpersprache, er wird
dir sagen, was gut für ihn ist und was nicht.

Lasse ihn seine eigene Handlungsfähigkeit erleben, seine individuellen Fähigkeiten entwickeln. Aber vermenschliche den Hund nicht. Zeige ihm auch von Anfang an seine Grenzen, behutsam aber bestimmt. Er muss erst lernen wie er sich verhalten soll. Was erlaubt ist und was nicht.

Ich hatte bie jetzt immer Hunde aus dem Tierschutz. Es war und ist anstrengend. Aber ich habe es nie bereut. Ich freue mich an der Entwicklung, an dem Überraschungspaket, an den neuen Herausforderungen. Und sie können so viel zurückgeben.

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