Die Sache mit dem Impuls

Und mal wieder scheint dein Hund wie aus dem Nichts die Kontrolle zu verlieren und sich in ein bellendes, ziehendes Monster zu verwandeln. Schuld daran war wohl Fahrradfahrer Nummer 5.
Nun, aus dem Nichts kommt selten ein hündisches Verhalten. Verhalten kündigt sich an. Teils mit deutlichen, teils mit sehr subtilen hündischem Ausdrucksverhalten. Vieles was ein Hundehalter übersehen kann. Plus: es gibt viele Dinge die die Impulskontrolle eines Hundes aufbrauchen.

Was ist Impulskontrolle?

Impulskontrolle ist so etwas wie Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle in bestimmten Situationen. Die bewusste Kontrolle über Emotionen und die eigenen Handlungen. Und Impulskontrolle ist endlich. Jedes Lebewesen besitzt ein Kontingent an Impulskontrolle. Es ist individuell, jedoch endlich und somit endet auch die Selbstbehrrschung irgendwann.
Sicher ist: ein Hund der unter Dauerstress steht, aufgeregt ist oder schlecht zur Ruhe kommt hat stets weniger Impulskontrolle zur Verfügung als ein gesunder, ausgeglichener Hund. Denn das Kontingent wird im Schlaf und in in Ruhephasen wieder aufgebaut.
Durch die Verarbeitung von Erlebten im Schlaf erholt sich der Hund und kann dadurch schwierige Situationen besser meistern. Ruhe und Selbstbeherrschung hängen also direkt zusammen.

Was verbraucht und beeinflusst Impulskontrolle?

Generell kann man sagen: je schwieriger eine Situation für den Hund war und je souveräner sie gelöst worden ist, umso mehr Impulskontrolle hat der Hund dafür benötigt.
Wichtig ist auch der Kontext in dem etwas geübt und gelernt wurde.

Zum Beispiel übt man das Signal Bleib erst mal zu Hause. Dort klappt es super. Der Hund führt das Signal gerne und zuverlässig aus. Er verbraucht hierfür kaum etwas seines Impulskontingents.
Soll der Hund das Bleib dann jedoch in einer neuen Situation ausführen  zB auf einer Gassirunde, so braucht der Hund dafür viel Impulskontrolle. Nach ausgeübter Impulskontrolle wird die Fähigkeit zur Selbigen für einen gewissen Zeitraum schlechter. So kann es sein, dass gleich nach erfolgreicher Ausübung des Bleib-Signals in einer neuen Situation eine Wiederholung des Signals nicht mehr möglich ist.

Damit ich dennoch mit dem Hund in einem neuen Kontext trainieren kann ohne viel Impulskontrolle zu verbrauchen, sollten die Übungen so kurz und kleinschrittig gestaltet sein, dass der Hund diese fehlerfrei ausführen kann. Es ist also sinnvoll, darauf zu achten, wie schwer der Kontext für den Hund ist in dem man trainieren möchte. So spart der Hund etwas von seinem Impulskontingent auf, dass er dann eventuell für für ihn wirklich schwierige Situationen benötigt wird zB Hundebegegnungen, damit er diese meistern kann.

Impulskontrolle wird kontextbezogen gelernt und die meisten Impulskontrollübungen verlassen ihren Kontext nicht. Dafür verbrauchen sie wertvollen Kontingent, dass der Hund an anderer Stelle dringend nötig hätte. Das bedeutet, die Fähigkeit zur Impulskontrolle wird von dem Hund nicht generalisiert.

Zum Beispiel: kann der Hund minutenlang vor dem vollen Futternapf warten, kann er das sicher nicht wenn er ein laufendes Reh sieht. Wenn der Hund also in einem Kontext A gelernt hat zu warten, kann er das nicht zwangsläufig in einem anderen Kontext.

Es gibt nicht notwendige Übungen die Impulskontrolle verbrauchen:

– Langes Warten vor dem Napf oder Keksen
Ist dem Hund das Fressen wichtig, was sehr oft auf Hunde aus dem Tierschutz zu trifft, verlangt diese Übung sehr viel Selbstkontrolle ab. Auch kurzes Warten vor dem Napf frisst Impulskontingent.
Auf diese ‚Übung‘ können die allermeisten Hundehalter getrost verzichten.
Unsere Hunde warten mittlerweile übrigens von alleine bis der Napf auf dem Boden steht, ohne dass wir das explizit geübt haben.

– Bevor es zum Gassi geht, den Hund im Sitz warten lassen bis er ruhig wird.
Besser ist es zB Leckerchen auf dem Boden zu streuen. Suchen entspannt und beruhigt. Oder ein paar Physioübungen zu machen, so muss sich der Hund auf etwas anderes konzentrieren.

– Leinenführigkeit ausschließlich über Stehen bleiben zu trainieren wenn der Hund in die Leine läuft.
Lernen durch Fehler ist frustrierend und braucht viel Impulskontrolle.
Hier lieber mit einem Mix an verschiedenen Leinenführübungen arbeiten. Und vor allem den Hund loben wenn er an lockerer Leine läuft.

– Flooding
Hier setzt man den Hund sehr vielen Reizen aus (zB man geht mit einem Hund der Schwierigkeiten mit anderen Hunden hat in ein Gebiet wo sehr viele Hunde sind) oder sehr lange Reizen aus. Bis der Hund -vermeintlich- ruhig ist und kein unerwünschtes Verhalten mehr zeigt.
Leider geht dieser Schuss nach hinten los. Nicht nur, dass das Impluskontingent restlos aufgebraucht wird. Nein, der Hund kann daraus die Konsequenz ziehen, dass es sich nicht lohnt sein Verhalten zu zeigen, Stress zu zeigen. Kommt er dann wieder in so eine Situation, vielleicht mit nur einem anderen Hund, explodiert er und das unerwünschte Verhalten tritt umso stärker auf.

Es ist eben keine Selbstbeherrschung, wenn eine Situation einfach ausgehalten wird. Der Hund möchte diese dennoch gerne verlassen, kann dies aber nicht mehr zeigen.
Impulskontrolle aufzubauen bedeutet, dass der Hund lernt mit einer Situation umzugehen, nicht dass er sie aushalten muss ob er will oder nicht.

Generell kann man sagen, dass Übungen die Frust oder andere negative Emotionen erzeugen, für unsere Hunde meist nicht sinnvoll sind.
Übungen, die den Alltag und unsere Interaktion mit dem Hund vorhersehbar und berechenbar machen und positive Emotionen vermitteln, ergänzen den Hundealltag jedoch sinnvoll.

Das Alter eines Hundes hat ebenfalls Auswirkungen auf die Impulskontrolle. Befindet sich der Hund in der Jugendentwicklung, wird sein Gehirn umgebaut. Der emotionale Teil ist in dieser Phase dem rationalen Überlegen. Dies begünstigt natürlich auch impulsives Verhalten.

Und dann gibt es noch die Körpergröße der Hunde.
Je massiger ein Hund, umso besser ist die Fähigkeit zur Impulskontrolle. Achtung – es geht hier nicht um übergewichtige Hunde, sondern um die Breite und Stärke des Knochen- und Körperbaus.
Je leichter und schmaler der Körperbau eines Hundes, umso höher ist der Stoffwechsel, was zu einem schlechteren Nervenkostüm und einem nervöseren Hund führen kann.
Aber Hunde, die nur auf Masse gezüchtet werden und die aufgrund dieser Größe andere gesundheitliche Probleme, zum Beispiel im Bewegungsapparat haben, werden dennoch nicht generell eine gute Impulskontrolle haben, denn Wohlbefinden spielt auch eine Rolle.

Die Rasse des Hundes bzw. Linien innerhalb der Rasse haben ebenfalls Einfluß auf das Vermögen zur Impulskontrolle.
Das passiert durch die Selektion auf einen bestimmten Körperbau, aber auch durch die Selektion auf Hunde, die schnell reagieren sollen. Hütehunde wie Border Collies, Aussies oder Arbeitshunde wie Malinois müssen schnell agieren um ihren Job richtig auszuführen. Schnelle Reaktionen und Impulskontrolle schliessen sich leider häufig aus.

Direkt zusammen mit der Impulskontrolle hängt die Frustrationstoleranz. Dies bedeutet, dass der Hund, wenn er etwas möchte und nicht bekommt, frustriert wird. Wie schnell dies geschieht ist wieder von Hund zu Hund unterschiedlich. Je frustrierter der Hund wird, desto mehr Impulskontrolle verbraucht er.
Auch hier gilt, dass ein bloßes Ertragen einer frustrierenden Situation nicht zu einer erhöhten Frustrationstoleranz führt.

Eine kleinschrittige, faire Auseinandersetzung mit Frust ist notwendig und sinnvoll.
Dazu sollte man sich auch überlegen, welche Alternativverhalten man dem Hund anbieten kann, damit er eine Situation nicht mehr als stark frustrierend empfindet. Diese Alternativverhalten sollten zum Hund und zur jeweiligen Situation passen. Hat man zB einen Hund der gerne dem Hasen nachhetzen möchte, eignet sich ein kurzes Hetzspiel mit einem Spielzeug, Leckerchen, anderen Objekt.

Versuche also nicht gegen deinen Hund und seine Bedürfnisse zu trainieren, sondern mit ihm. Du wirst merken, dass der Alltag mit deinem Hund stressfreier wird und eure Bindung enger.
Mit passenden Belohnungen hilfst du deinem Hund auch schwierige Situationen mit einem guten Gefühl zu bewältigen.

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