Wie unterstütze ich einen Angsthund

Hat Dein Hund Angst, braucht er Deine Hilfe und Dein Verständnis. Was er definitiv nicht braucht sind veraltete Trainingsmethoden und Meinungen.
Dazu gehört das sogenannte Flooding. Das heisst eine plötzliche Konfrontation mit dem übermässigen (entweder zeitlich oder mengenmässig) angstauslösenden Reiz.
Einen Hund, der sich vor gelben Abfalltonnen fürchtet, an einer gelben Abfalltonne anzubinden und ihn dort zwei Stunden alleine zu lassen, wie dies von manchen Verhaltenstherapeuten praktiziert wird, führt nicht nur zu einer völligen Übersteuerung der betreffenden Reaktion, sondern möglicherweise auch zu schweren gesundheitlichen Schäden (Herzkreislaufkollaps) und zu einer völligen Zerstörung der Mensch-Hund-Beziehung, wenn der Halter seinen Hund einer solchen schrecklichen Situation scheinbar tatenlos ausliefert.

Einen Hund der Angst vor anderen Hunden hat regelmäßig in ein Gebiet zu bringen, wo viele andere Hunde sind und ich dann einfach ‘machen’ lassen führt
vielleicht auf den ersten Blick zu einer scheinbaren Verbesserung des Verhaltens. Auf den zweiten Blick jedoch zu einer Verschlechterung. Und seine Angst vor den Artgenossen wird er so auch nicht besser. Eher im Gegenteil.

Dazu gehört auch die Meinung, dass man durch bestimmte Verhaltensweisen zB dem Hund zur Beruhigung auf den Arm nehmen die Angst nur noch verstärkt. Angst kann man nicht verstärken. Die Reaktion darauf schon, im Positiven wie im Negativen.

Leider sind schnelle Erfolge und Hundetrainer die dies versprechen immer noch populär. Auch wenn diese ‘Erfolge’ auf Kosten der Gesundheit und des Wohlbefindens der angeblich therapierten Hunde geht.

Eine langsame Steigerung der Reizintensität jeweils knapp unter der auslösenden Schwelle für die Angstreaktion ist hier die wesentlich bessere Therapie.
So schwierig und langwierig dies erscheinen mag, ist es doch noch einfacher als der Umgang mit Angst.
Die Angststörung, insbesondere dann, wenn sie bereits zur generalisierten Angststörung geworden ist, wenn also die Angst vor der Angst schlimmer ist als die Angst vor der gefühlten tatsächlichen Bedrohung, kann nicht durch gezielte Konfrontation aufgefangen werden.

Die beiden hauptsächlich beteiligten Hormonsysteme, das Stresssystem des Cortisols und das Bindungssystem des Oxytocins reagieren, zeitlich gesehen, unterschiedlich. Und das kann man sich zu nutze machen. Das Oxytocin wird bereits in wenigen Sekunden bis Minuten ausgeschüttet. Das Cortisol gelangt erst in einem Zeitraum zwischen 5 bis 20 Minuten an sein Ziel, den Rezeptoren, an.
Durch geschicktes Entspannungstraining und/oder entsprechende Interaktion mit dem Hund lässt sich die Ocytocinausschüttung ankurbeln.
Befindet sich dieses Hormon nun vor der stressauslösenden Situation, und somit vor dem Cortisol, im Blutkreislauf und an den Rezeptoren kann es auf physiologischer Ebenedafür sorgen, dass Stress, bzw. die Folgen von Stress reduziert werden können und der Hund sich entspannter fühlt.

Und so kannst du deinem Hund helfen mehr Ocxytocin auszuschütten:

a) Sozialkontakte
Die Steigerung der Ausschüttung des sogenannten Bindungshormons Oxytocin durch Sozialkontakte jeglicher Art hat eine wichtige Funktion in
der Vermeidung einer übermässigen Stresshormonreaktion.
Wenn der Hund und der Mensch einander durch Blickkontakte, spielerische Gemeinsamkeiten und andere Formen positiver, sozialer Interaktion unterstützen, führt dies zu einer Erhöhung des Oxytocinspiegels. Und das hält nicht nur den Menschen (und den Hund) gesund, sondern kann auch den Hund vorbeugend bei der Konfrontation mit einem möglichen Stressor stabilisieren.

b) Positive Alternativreize
Es ist möglich, eine beginnende Angst beim Hund durch das Angebot von positiv belegten Reizen zu entschärfen. Man kann durch gezielte Darbietung von Futterbelohnungen oder anderen positiven Erfahrungen (zB kleine Spieleinheiten) eine Abschwächung seiner Angstreaktion zu ermöglichen

Weitere Möglichkeiten deinem Hund zu helfen mit der Angst besser fertig zu werden:

c) Selbstbewusstsein stärken
Als Maßnahme der allgemeinen Persönlichkeitsstabilisierung.
Geeignet hierzu sind Auslastungs- und Beschäftigungmöglichkeiten die Erfolgserlebnisse verschaffen. Viele Hunde reagieren sehr positiv auf konzentrierte
Nasenarbeit, etwa Mantrailing. Hier können sie zeigen was sie leisten können und steigern so ihr Selbstbewusstsein.

d) Führungskompetenz des Menschen
Der Mensch als wichtigster Sozialpartner seines Hundes muss Souveränität ausstrahlen, um dem Hund zu vermitteln, dass auch in einer möglicherweise gefährlichen Situation jemand da ist, der diese für ihn regelt. Gerade im Zusammenhang mit Angstaggression an der Leine oder in anderen beengten Situationen ist es die Aufgabe des Menschen, hier die notwendige Unterstützung zu liefern.

e) Vermeidung von Angstanfälligkeit
Gerade im Zeitraum der ersten drei Monate sowie in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres liegt die sensible Phase für die Präsentation von Umweltreizen, die dann später als neutral, unbedeutend oder sogar positiv empfunden werden sollen.
Neben dieser Gewöhnung an möglichst viele, dann später mit «cooler Gelassenheit» ertragene Umweltreize ist gerade in diesem Zeitpunkt auch die allgemeine Stabilisierung von Persönlichkeit und Selbstsicherheit des Hundes sehr wichtig. Der Hund sollte in dieser Zeit erleben dass
– er viele Aufgaben durch eigenes Zutun lösen kann
– er viele Probleme durch selbst gefundene Lösungswege aus der Welt schafft
– er sich bei schwierigen bis unlösbaren Situationen jederzeit auf seinen Menschen verlassen kann,

So wird er viel seltener überfordert sein, wenn er dann als Erwachsener mit völlig neuen Aufgaben konfrontiert wird.

Kurz gesagt braucht es Zeit und Geduld. Es braucht eine für deinen Hund optimale Stimulation. Es braucht Vorhersagbarkeit, keine plötzlichen Konfrontationen. Es braucht Verhaltensoptionen für deinen Hund. Es braucht sehr viele Phasen der Entspannung und Erholung für deinen Hund. Es braucht ein Bewußtsein über seine eigenen Emotionen und sein eigenes Verhalten. Denn dieses kann deinen Hund entweder unterstützen oder das Angstverhalten noch bestärken.

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